Festzeitschrift: 25 Jahre Bilharzschule Georg Gauggel 1958-1983

 
Wenn heute jemand sagt, dass sein Kind in die »Bilharz-Schule« in Sigmaringen geht, so meint er damit, dass es eine Klasse der Grund- bzw. Hauptschule der in Baden- Württemberg seit 1967 zur Regelschule gewordenen Schulform: »Christliche Gemeinschaftsschule« besucht. Das war nicht immer so. Denn vor dem 1. 8. 1967 war mit »Bilharz-Schule« lediglich der dort stehende Gebäudekomplex gemeint, der unter seinem Dach zwei völlig selbständige Schulen, nämlich die »Katholische Bekenntnis-Schule« und die »Christliche Gemeinschaftsschule « vereinigte.
Die größere der beiden, die Kath. Bekenntnis-Schule, wurde ausschließlich von Kindern des katholischen Bekenntnisses besucht, während die Christliche Gemeinschafts-Schule — trotz ihres Namens — in Wirklichkeit eine evangelische Schule war, denn nur ganz wenige katholische Schüler verbrachten dort ihre Schulzeit. Deshalb wird auch in dieser Festschrift erst vom 1. August 1967 ab der Begriff »Bilharz Schule« verwendet werden, während vorher immer von der »Schule an der Bilharz Straße« die Rede sein wird.

 

Während die Bilharz-Straße im Jahre 1956 anlässlich der 120. Wiederkehr des Geburtstages des hier gebürtigen Geheimen Sanitätsrates und Philosophen Dr. Alphons Bilharz ihren Namen erhielt, und die Bilharz-Apotheke nach dem in diesem Hause geborenen und aufgewachsenen Arzt und Forscher Dr. Theodor Bilharz benannt worden ist, soll die Bilharz-Schule an beide berühmten Söhne unserer Stadt erinnern. Ihr Vater war der fürstliche Hofkammerrat Joseph Anton Bilharz, der 1817 in den Dienst des Fürsten Carl getreten war und dem die Verwaltung des Fürstlichen Archivs und der Hofkasse anvertraut gewesen waren. Maximilian Theodor Bilharz, geboren am 23. März 1825, war das älteste von 10 Kindern. Früh war in dem Knaben eine große Liebe zur Natur erwacht. Rasch war sein Aufstieg. Das Hedinger-Gymnasium absolvierte er 1843. Freiburg und Tübingen sahen ihn mit regem Eifer Naturwissenschaft, vor allem Zoologie und Medizin studieren. 1849 bestand er hier in Sigmaringen die Staatsdienstprüfung und wurde »zur Ausübung der Medizin, Chirurgie und Staatsarzneikunde sowie zur Anstellung im Fürstentum» für befähigt erkannt.
Zur Weiterbildung begab er sich abermals nach Freiburg. Einer seiner Lehrer, Griesinger, vom Vizekönig von Ägypten zum Leiter des Medizinalwesens in seinem Lande ernannt, hielt von dem Fünfundzwanzigjährigen sehr viel und bat ihn deshalb, ihm als Assistent dorthin zu folgen (1850). Die medizinische Schule in Kairo, Kasr El Am, war sein Wirkungsfeld. 1853 war er bereits Chefarzt einer Inneren Abteilung, und wurde im Jahre 1956 zum Professor der Anatomie daselbst ernannt. Schon 1851 glückte es ihm, in der Pfortader kranker Menschen einen Wurm zu entdecken. Damit war die Ursache (der Erreger) der Blutharnruhr, einer der verderblichsten Tropenkrankheiten gefunden. Dem Entdecker des Erregers dieser schrecklichen Krankheit zu Ehren erhielt sie die wissenschaftliche Bezeichnung Bilharzia, die heute noch in der Medizin gebräuchlich ist.
Die Verbreitung dieser Seuche ging nach der Entdeckung des Erregers durch Bilharz wohl zurück, gehört aber heute noch zu den gefürchteten Tropenkrankheiten.
Weitere Entdeckungen menschlicher Parasiten schlossen sich an. Nach fünfjähriger unermüdlicher Arbeit unter den schwierigsten Verhältnissen, überraschte er, 1857, die wissenschaftliche Welt mit seinem Werk über den Zitterwels, den elektrischen Fisch des Nils. Zum ersten Male war eine klare Einsicht in den Bau der bisher so rätselhaften Organe dieses Tieres gewonnen worden. Die Anerkennung war allgemein, und die damaligen Ergebnisse sind noch heute gültig.
Studien über den Medinawurm, über die auf ägyptischen Denkmälern abgebildeten Tiere und über die Anthropologie der Eingeborenen nahmen ihn nun in den folgenden Jahren voll in Anspruch.
Seit 1850 lebte er dauernd in Kairo, nur 1858 führte ihn eine Reise, die zu einem Triumphzug wurde, für einige Monate nach Europa zurück.
Bilharz war stets hilfsbereit und unerschrocken. Kaltblütig versah er während der heftigen Cholera-Epidemien von 1850 und 1855 seinen Dienst, ebenso während der häufigeren Typhus-Epidemien; eine davon brachte ihm fast den Tod. Seine Freunde jedoch pflegten ihn wieder gesund. In den ersten Jahren seines ägyptischen Aufenthalts hatte Bilharz immer wieder gewünscht, einen längeren Zeitraum an den Ufern des Roten Meeres zu verbringen, um an diesem Ort zoologische Studien betreiben zu können. Im Frühjahr 1862 kam Herzog Ernst II. von Coburg/Gotha zu einer Jagdpartie nach Ägypten. Bilharz wurde ersucht, sich anzuschließen und die Gesundheit jenes Teils der Gesellschaft zu überwachen, der in Massaua am Roten Meer die Rückkehr des Herzogs erwarten sollten. Bilharz sagte zu. Er nützte die Zeit zum Botanisieren und Studieren der Tierwelt, leistete aber auch einer hoffnungslos typhuskranken deutschen Kaufmannsfrau ärztliche Hilfe. Wahrscheinlich infizierte er sich dabei. Bereits krank, schiffte er sich nach Suez ein und kam, zu Tode erschöpft, in Kairo an. Dort erlag er am 9. Mai 1862 nach kurzem Todeskampf dem Typhus. Der erst 37-jährige wurde auf dem katholischen Friedhof von Kairo beerdigt.
Wie sehr Theodor Bilharz heute noch in Ägypten geschätzt wird, bewies die Tatsache, dass bei der Feier seines 100. Todestages, 1962, der Botschafter Ägyptens in der Bundesrepublik Deutschland an der Feier teilnahm und die persönlichen Grüße von Präsident Sadat überbrachte.
Sein Bruder Alphons wurde als drittjüngster in der Geschwisterschar, am 2. Mai 1836, geboren. Er besuchte mit seinen älteren Brüdern das Hedinger Gymnasium und legte dort im Jahre 1854 das Abitur ab. An der Universität Freiburg widmete er sich dann zunächst naturhistorischen Studien, bevor er sieh für das Studium der Medizin entschied (Heidelberg und Würzburg). Nach Aufenthalten in Berlin (1857), Prag und Wien (1858) bestand er 1859 das medizinische Doktor-Examen mit Auszeichnung.
Anstatt eine Praxis zu eröffnen, zog er es vor, sieh im physikalischen Laboratorium Reymond in Berlin zu betätigen; weitere nervenphysikalische Studien führten ihn nach Heidelberg. Schließlich folgte er Freundesrat und begab sieh 1865 nach St. Louis in Amerika. Dort reifte er zum Philosophen. Nach 13jähriger Abwesenheit kehrte er 1878 nach Sigmaringen zurück, wo er alsbald seine erste philosophische Schrift veröffentlichte: »Der heliozentrische Standpunkt der Weltbetrachtung«. Ein Jahr darauf erschienen die beiden Schriften »Metaphysische Anfangsgründe der mathematischen Wissenschaften« und »Erläuterungen zu Kants Kritik der reinen Vernunft«.
Der Hohenzollerische Landesausschuss bestimmte Dr. Alphons Bilharz 1882 als Nachfolger Dr. Hafners zum Ärztlichen Direktor des Fürst-Carl-Landesspitals. Über 25 Jahre lang hatte er dieses Amt inne, bis er, eines schweren Augenleidens wegen, diesen Dienst am Menschen aufgeben musste. In diesem Vierteljahrhundert scheute er keinerlei Mühen und Opfer, um den Kranken ihr Los erleichtern zu helfen. Die Patienten verehrten und liebten ihn, seinen Untergebenen war der einfache, schlichte und gemütvolle Mann ein gerechter Vorgesetzter. Besonders am Herzen lag ihm von Anfang an der Ausbau der Abteilung für die Geisteskranken.
Durch zahlreiche fachwissenschaftliche Abhandlungen in seinen ärztlichen Jahresberichten erwarb sieh Bilharz in Ärzte-Kreisen weitum hohes Ansehen. Besondere Anerkennung fanden seine wissenschaftlichen Ausführungen in der Festschrift, die anlässlich des 50. Jubiläums des Fürst-Carl-Landesspitals im Jahre 1897 gedruckt wurde.
Leider fand der Geheime Sanitätsrat Dr. Alphons Bilharz auf dem zweiten Gebiet seines Wirkens, der Philosophie, nicht die gewünschte Beachtung der Fachwelt.
Professor Dr. von Freytag-Löringhoff, Tübingen, charakterisierte ihn in seinem Vortrag beim Festakt im Jahre 1975 als einen: «durch Kant angeregten, ihn bewundernden, realistischen Metaphysiker«, der versucht habe, dessen Erkenntnisse zu verbessern und weiterzuführen. Allerdings nannte er seine Liebe zur Mathematik eine »Unmöglichkeit«, da er immer wieder mathematische Vergleiche gezogen habe, was seine Werke so schwer lesbar mache.
Prof. von Freytag-Löringhoff stellte fest: »Die Nichtbeachtung in der philosophischen Fachwelt, diese >Einsamkeit im Geiste< habe ihm wohl eine große Enttäuschung bereitet, wenngleich er sieh dadurch nicht habe verbittern lassen«.


Zu Beginn des neuen Schuljahres, am 15. 4. 1958, war die neue Schule dann endlich bezugsfertig. Und so zogen nach den Schulgottesdiensten in den beiden Stadtpfarrkirchen 537 Schüler und Schülerinnen mit ihren Lehrern zum ersten Mal in ihr neues Schulhaus. Auf dem Hof zwischen den beiden Klassengebäuden fand dann die Weihe des neuen Schulhauses statt. Im Zeitungsbericht darüber heißt es: »Die Weihestunde begann mit einem Gebet Stadtpfarrer Stohrer‘s, dem Lied »Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre« und dem Psalm 105, den Pfarrer und Schüler wechselnd sprachen. In seiner Ansprache zeigte Stadtpfarrer Stohrer die mancherlei Wege, die wir unter dem Wort »ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« zu gehen haben. Er wies auf den Weg des Lebens hin, der durch die 10 Gebote markiert ist, und ermahnte die Schüler, ihren Schulweg jeden Morgen fröhlich und getrost zu gehen. Der Weg alles Lernens aber soll sein, hinter die Wahrheit der Natur, Gottes und unseres Gewissens zu kommen. Aufgabe der Lehrer aber ist es, die Wahrheit als gelebte Wahrheit weiterzugeben und die Schüler zu einem Leben in Gehorsam unter Gottes Gebot zu erziehen. Die Ansprache schloss mit dem Kanon »Danket, danket dem Herrn«.
Im Namen der Stadt und des Stadtrates begrüßte Bürgermeister Schick die Sigmaringer Schuljugend in ihrer neuen Schule und nannte die Feierstunde ein Ende und einen Anfang zugleich. Sie bildet das Ende eines Weges, den die Stadt gegangen ist, oft voller Steine, Mühen und Beschwerden. Die Feier ist zugleich der Anfang des Neuen, der im Namen des Dreieinigen Gottes gemacht werden soll. Erwartungsvoll stehen alle vor dem Schulhaus und in Freude, dass nun die Sorgen hinter uns liegen.
Mit dem Wunsche, dass diese Schule eine Pflanzstätte alles Guten sein möge, aus der sich Segen über die Stadt ergießen soll, übergab der Bürgermeister die Schule an den Schulrat, der sie stellvertretend für Lehrer und Schüler übernahm.
Schulrat Strobel brachte die Freude und Genugtuung über das schöne Werk zum Ausdruck, das er ein harmonisches Ganzes nannte und als eine der schönsten und modernsten Schulen des Landes bezeichnete. Er sprach von dem Stolz, der Freude und Dankbarkeit, die alle über die neue Schulheimat erfüllt, und würdigte das große Verständnis, das Stadtrat, Stadtverwaltung und Bürgermeister beim Bau dieser Schule gezeigt habe. Worte des Dankes fand er für den Architekten Salver, für den leitenden Architekten Dipl.-Ing. Böhmer, für Bauingenieur Fischer und Stadtbaumeister Wild, die mit künstlerischem Ideenreichtum Bleibendes geschaffen haben. Hohe Verdienste haben auch die Schulleiter Rektor Hoch von der Katholischen Bekenntnisschule und Oberlehrer Dörfer von der Christlichen Gemeinschaftsschule. Den Kindern ist der Abschied aus der alten Schule nicht schwer gefallen, sagte der Schulrat, und die Kinder bestätigten das mit Freude. Er führte ihnen vor Augen, dass sie nun von Lichtdurchfluteten Räumen aufgenommen werden, schöne Handarbeits- und Werkräume erhalten, ein Lehrschwimmbecken, über das noch nicht einmal die Stuttgarter Schulen verfügen, und eine gut eingerichtete Turnhalle, dazu eine stattliche Aula und schöne Pausenhallen, und er ermahnte sie, diese schöne Schule in rechter Ordnung und Sauberkeit zu halten.
Landesamtsrat Mühlebach brachte als Vorsitzender des Elternbeirates der Katholischen Bekenntnisschule und zugleich auch im Namen der Christlichen Gemeinschaftsschule, die Freude und Dankbarkeit der Eltern zum Ausdruck, die diesen glücklichen, seit Jahren ersehnten Tag mit ihren Kindern bewegten Herzens erleben. Sein Dank galt dem Stadtrat und der Stadtverwaltung, die das große Wagnis des Schulneubaus unter großen finanziellen Opfern der Stadt auf sich genommen haben, dem Schulrat, der seine Hilfe zum guten Gelingen gab, dem Lande Baden-Württemberg, das den Bau durch Zuschüsse erleichterte, und allen, die an diesem Werk mithalfen.
Zum Schluss sprach Pfarrvikar Eger die kirchlichen Weihegebete, nachdem er darauf hingewiesen hatte, dass die kirchliche Weihe nichts andere bedeute, als die Heimholung der Welt in das Heil Gottes. Gemeinsam sprach er mit Schülern und Lehrern das Gebet, das die Schule unter den Schutz Gottes stellen sollte. Nach dem Weiheakt zogen Schüler und Lehrer hoch in ihre Klassen und erfüllten das helle Gebäude mit frischem Leben.


Die festliche Eröffnung der neuen Volksschule fand am 14. Mai statt. Eine große Schar geladener Ehrengäste nahm daran teil und freute sich mit Schülern, Lehrern, Eltern und Stadtverwaltung an dem gelungenen Werk. Auf dem Schulhof übergab der Planer und Erbauer, Dipl.-Ing. Salver aus Stuttgart, den Schlüssel an den Bürgermeister und wies besonders daraufhin, dass er selten ein Baugelände gefunden habe, das in so hervorragender Weise sich dazu eigne, Bauten, Natur und Landschaft zu einer so glücklichen Komposition zusammenfügen zu können.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.